Montag, 1. Februar 2016

Ist Victor Orban der 'Chávez in Europa'?


Einar Schlereth
1. Februar 2016
Orbán bei Putin in Moskau
Am 16. Januar 2016 hat Gearóid Ó Colmáin, ein irischer politischer Analytiker, der in Paris lebt, den Artikel 'Is Victor Orban the 'Chavez of Europe'? veröffentlicht. Mich hat die Figur Victor Orban seit recht langer Zeit interessiert, weil über ihn so widersprüchliche Aussagen zirkulierten – von richtigen Linken und sogenannten Linken wurde er als Rechter bezeichnet, aber auch vom Mainstream und der rechten Merkel, die am liebsten mit Faschos umgeht, von manchen Rechten aber als Linker. Dann las ich, dass er den IWF aus seinem Land rausgefeutelt hat und das Putin ihn besuchte und mit ihm sehr gut klar kam. Das fand ich ja sympathisch und hatte so einen Verdacht, aber schlauer wurde ich auch nicht. Nun endlich finde ich bei Colmáin eine Erklärung für den Schlamassel.

Also, Orban ist kürzlich stark unter Feuer geraten, weil er einen Zaun an der Grenze zu Serbien, Kroatien und Slowenien aufstellen will, um zu verhindern, dass Flüchtlinge illegal das Land betreten. Daraufhin wurde er als xenophobischer, ultrarechts-Diktator bezeichnet, nur weil er die EU-Vorschriften des Schengen-Abkommens befolgt, nach denen Immigranten von der Polizei an den Grenzen registriert werden müssen. Laut 'Le Monde' kriminalisiere er damit die Immigranten.

Als kleine Randbemerkung muss ich hier einfügen, dass ich als Deutscher mit meinem normalen schwedischen Personalausweis nicht mehr nach Deutschland einreisen darf, wie ich kürzlich von der Deutschen Botschaft in Stockholm erfuhr. Deswegen musste ich mir einen neuen Pass besorgen, was mich alles in allem ca. 270 € kostete. Aber Flüchtlinge können auch ohne Papiere einreisen!

Weiter mit Orban. Er ist 2010 gewählt worden und ist eigentlich sofort aufs Korn genommen worden, denn „er hat heimische, soziale und politische Maßnahmen ergriffen, die den Diktaten der EU-Kommission zuwiderlaufen. 2013 schloss Ungarn das Büro des IWF,“ wie Colmáin schreibt.

Bravo, kann ich da nur sagen, denn damit hat er die Finanzen des Landes unter eigene Kontrolle gebracht. Aber dann hat sich Orban – oh, ich kann es kaum niederschreiben, so furchtbar ist das – sich an der 'Redefreiheit' vergangen! Weil er z. B. die 'Voice of America' geschlossen hat.

Also wenn sich jemand an der Redefreiheit vergreifen darf, dann allenfalls wir, meint man in der EU und klemmt die Iranischen Fernsehsender ab. Aber das ist natürlich was ganz anderes.

Orban „sieht darin eine 'linke und grüne Konspiration' in Europa gegen 'traditionelle Werte'." Orban bezieht sich damit zweifellos auf die ständigen Tiraden des EU- Abgeordneten Cohn-Bendit gegen Ungarn, der Orban ironisch den 'Chávez von Europa' nannte. "Dies Beispiel … zeigt nur die Sinnlosigkeit von links/rechts Paradigmen in der Politik der nach-sowjetischen Ära,“ schreibt Colmáin.

Und nun kommt die Crux. Orbans 'Nationalismus' ist kein imperiales Projekt, sondern bedeutet vielmehr Befreiung von der neo-kolonialen Unterdrückung durch internationale Finanzinstitute und die EU. Und das rückt ihn in die Nähe von Putin, der auch nichts anderes gemacht hat und deswegen zum Belzebub wurde. Orban stimmte ihm zu, für Syrien eine friedliche Lösung zu finden und er ist auch gegen die Osterweiterung der NATO. Und er hat enge Verbindungen zu China und dem Iran hergestellt.

Ich denke, dass nun jedem ein Licht aufgeht, weshalb auch Orban verteufelt werden muss. Und nun stellt er sich auch noch gegen das USRAELNATO-faschistische Projekt, die EU mit Flüchtlingen zu überschwemmen, gut vermischt mit ISIS-Kämpfern (wer weiß, wozu man die noch brauchen kann).

Damit hat er sicherlich endgültig irgendeine 'rote Linie' überschritten, was heutzutage kein Problem ist, denn es gibt so viele von denen. Aber als links kann man Orban deswegen bei weitem nicht bezeichnen, sagt Colmáin. Er hat z. B. alle kommunistischen Symbole verboten. Er führt eine 'traditionelle, dirigistische Form des Kapitalismus mit einer starken familien-freundlichen Sozialpolitik und eine breit gefächerte Außenpolitik, wobei ihm die Souveränitä gegenüber dem Imperialismus besonders wichtig ist.

Diese Politik hat Vorteile für das Land gebracht und besonders für Länder in der südlichen Hemisphäre wie z. B. Venezuela, schreibt Colmaín: „Ein photo-voltaisches energie-technologischen Produkt, von Ungarn entwickelt und von China finanziert, wurde 2013 nach Venezuela exportiert. Man glaubt, dass diese neue ungarische Technologie Venezuela nicht nur befähigen kann, selbstversorgend mit Strom zu werden, sondern sogar ein Exporteur von Elektrizität zu werden."

Colmáin gibt dann einen interessanten historischen Abriss mit all den Erschütterungen zur Sowjetzeit, der „euphemistisch genannten de-Stalinisierung von Chruschtschow, die in Wirklichkeit der Versuch war, die kapitalistische Produktionsweise wiederherzustellen“, bis zum CIA-Putschversuch 1956 (einer der ersten Regime-Change Versuche). Colmáin kommt dann auf einen wichtigen Punkt zu sprechen:

„Marxisten-Leninisten haben immer den Triumph des Chruschtschow'schen Revisionismus 1956 mit der folgenden 'Ent-Stalinisierung' der UdSSR und der Volksdemokratien in Osteuropa als Konterrevolution gegen die Diktatur des Proletariats angesehen.

Chruschtschows Reformen bedeuteten die Aufgabe der staatlich zentralisierten Planung, verbunden mit einer zynischen und anti-marxistischen Außenpolitik der 'friedlichen Koexistenz' von Kapitalismus und Sozialismus. Zur Rechtfertigung dieser Politik schrieb er eine lange verlogene Rede zur Verleumdung Stalins. Jede Behauptung gegen Stalin in seiner Rede hat sich als Lüge herausgestellt. Der Sowjet-Revisionismus tötete nicht nur den Sozialismus in der UdSSR sondern mit Ausnahme Albaniens die Hoffnung auf Sozialismus in der Welt. Die Zerstörung des Marxismus Leninismus durch die Sowjets und später die chinesischen Revisionisten führte zu einer Wiederbelebung des Trotzkismus in den westlichen imperialen Ländern. Und es ist diese 'Neue Linke', die die Vorhut des zeitgenössischen westlichen Imperialismus darstellt.

In diesem Sinne hat Orban recht in seiner Analyse von eine „linken“ Verschwörung gegen die Zivilisation, denn was wir heute sehen, das ist der Triumph der trotzkistischen Ideologie in Form des Zionismus und neo-Konservatismus, wo der proletarische Internationalismus auf der einen Seite von den 'Menschenrechten' international subsumiert wurde und dem 'islamistischen Dschihad' auf der anderen Seite, eine neue 'revolutionäre' Allianz zur Kriegführung gegen die arbeitende Klasse. Man muss nur die geballte Faust der US-Farbenrevolutionen und den ständigen Appell an die Jugend-Rebellion ansehen, um zu verstehen, wie der Kapitalismus jetzt seinen Griff um die Menschheit festigt durch Aneignung linker, revolutionärer Symbole. In der Tat ist der US-Kapitalismus, um ein Trotzky-Wort zu benutzen, eine 'permanente Revolution'. Oder mit den Worten des US Strategen General Thomas Barnett „die Globalisierung nach US-Art ist eine reine sozio-ökonomische Revolution“.“

Als Beispiel führt er den 'arabischen Frühling' an, wo die Arbeiter überall, vor allem in Ägypten, ihre Rechte verloren haben. Daher befürchtet Colmáin auch, dass in Ungarn wegen Orbans Haltung in der Flüchtlingsfrage demnächst mit einer Farbenrevolution zu rechnen ist.

Und er betont die Bedeutung der Zerstörung der säkularen Länder im Nahen Osten – Irak, Libyen und nun Syrien – als Ursache der gewaltigen Flüchtlingsströme, vor denen sowohl Gaddafi als auch Bashar al-Assad gewarnt haben.

Die nun geführte Debatte, ob oder ob nicht die Flüchtlinge aufgenommen werden sollen, verbirgt die neue und zerstörerische Phase der US/NATO geopolitischen Strategie. Die meisten Flüchtlinge kommen aus der Türkei und dort werden sie von der USA mit Mitteln ausgestattet zur Zerstörung Europas. Verzweifelte Flüchtlinge werden für die US-zionistische 'teile und herrsche'-Strategie missbraucht. Eine Reise vom Mittelmeer nach Europa kostet im Schnitt 11 000 Dollar, was nicht einmal ein normaler Arbeiter in Europa so leicht aufbringen kann, aber uns erzählt man, dass Millionen Leute aus den kriegszerstörte Ländern Irak und Syrien das können.
 

Manche Quellen wie Frankreichs Radio Internationale und RT sprechen davon, das ca. 95 % der Flüchtlinge junge Männer zwischen 20 und 35 Jahren sind. Warum sieht man so wenig Frauen und Kinder unter den Flüchtlingen, fragt Calmáin. Ein verdächtiges Moment sei, so sagt er, dass junge Männer aus Syrien, die dem Wehrdienst entgehen wollen, gefeiert werden, während die heroischen Männer und Frauen, die in Syrien für die Freiheit des Landes kämpfen, dämonisiert werden. Das sei ein weiteres Beispiel für die Verderbtheit unserer herrschenden Klasse, für die Treulosigkeit und Feigheit wichtige Eigenschaften sind.

Ein wichtiger Punkt bei dieser Flüchtlings-Invasion, auf den sich Figuren wie die Merkel kaprizieren unter Verkennung der teuflischen US-zionistischen Absichten, ist ihr Wert als billiges Arbeitsmaterial zur Verbesserung der Konkurrenzkraft der deutschen Industrie, als potentielles Kanonenfutter an der Heimat- oder sonstigen Fronten und als Puffer zwischen 'anständigen' Bürgern und dem 'Lumpenproletariat' (Harz-Vierern, Obdachlosen etc.). Da können sich die Herrschenden getrost in ihre Kissen zurücklehnen und in den Abendnachrichten zuschauen, wie die da unten sich kloppen. Möglicherweis machen sie diese Rechnung ohne den Wirt.



Gearóid Ó Colmáin schreibt regelmäßig für Dissident Voice, Global Research, Russia Today International, Press TV, Sputnik Radio France, Sputnik English, Al Etijah TV, Sahar TV, Al Jazeera and Al Mayadeen

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